TÄTIGKEITSBERICHT
über die ersten vier Monate zur Vorlage
beim Bundesministerium für Inneres
von Raffael Stuhlpfarrer
Einsatzstelle:
“CASA STEFAN ZWEIG”
Tätigkeitsbereiche:
1. Einschulung:
Die ersten Tage meines Gedenkdienstes an der CASA STEFAN ZWEIG waren von einer allgemeinen Einschulung in die Tätigkeiten an der Einsatzstelle geprägt. Diese führte mit mir mein Vorgänger und aktueller wissenschaftlicher Mitarbeiter, Mag. Hans-Jörg Trettler, durch. Mag. Trettler und ich arbeiten aufgrund unserer sich überschneidenden Tätigkeitsbereiche auf das Engste zusammen und ergänzen uns hierbei in unserer gemeinsamen Arbeit sehr gut.
2. Transkribieren von Zeitzeugeninterviews:
Nach der allgemeinen Einschulung der ersten Tage begann ich mit meiner ersten großen Tätigkeit, dem Transkribieren von Zeitzeugeninterviews. Das entsprechende Material stammt aus dem Bestand der Germanistin und renommierten Exilforscherin Frau Prof. Dr. Izabela Maria Furtado Kestler. Frau Prof. Kestler hatte für ihre Doktorarbeit „Die Exilliteratur und das Exil der deutschsprachigen Schriftsteller und Publizisten in Brasilien“ Ende der 80er Jahre zahlreiche Interviews mit damals noch lebenden Exilanten durchgeführt. Nach dem tragischen Tod der Forscherin durch den Flugzeugabsturz einer Air France Maschine des Typus A330-200 am 2. Juni 2009, übergab die Familie große Teile der Bibliothek in Form einer Spende der CASA STEFAN ZWEIG. Die Sammlung Prof. Kestlers beinhaltet, neben der bereits erwähnten Aufzeichnung der Zeitzeugeninterviews, auch einen großen Bestand von Büchern, Broschüren und Manuskripten.
Aufgrund der schlechten Qualität der auf Audio Kassetten aufgezeichneten Interviews, war eine rasche Digitalisierung und Niederschrift unausweichlich. Das Transkribieren der Interviews stellte sich im Lauf meiner Arbeit als sehr mühevolle aber umso lehrreichere Aufgabe heraus. Die intensive Beschäftigung mit den einzelnen Exilanten und deren Lebensgeschichten ließ einen tieferen Einblick in die Thematik zu. Somit gewann ich in den ersten Tagen und Wochen durch diese Beschäftigung einen guten Überblick über die deutschsprachige Emigration in Brasilien, welchen ich mit Hilfe der Lektüre von einschlägiger Literatur zu vertiefen versuchte. Große Teile der in deutscher Sprache geführten Interviews konnten bereits transkribiert werden, wohingegen die Transkription der portugiesischen „entrevistas“ eine weitere Aufgabe für die kommenden Monate bleibt.
3. Katalogisierung der Schenkung Kestler:
Durch die Schenkung des Bestandes von Frau. Prof. Kestler an die CASA STEFAN ZWEIG, bekam ich eine weitere sehr wichtige Aufgabe, das Katalogisieren des gespendeten Materials. Ich begann, mit Hilfe einer eigens dafür angeschafften Bücherverwaltungssoftware, die Bücher und Manuskripte mit allen ihren Attributen im System zu vermerken. Somit kann nun jedes einzelne Werk der Bibliothek über die ISBN/ISSN Nummer, den Titel, Autor, Publikationsjahr und andere Suchkriterien aufgerufen werden. Insgesamt wurden somit knapp über 1000 Bücher und Manuskripte katalogisiert.
Als nächsten wichtigen Schritt begannen Mag. Trettler und ich die Bücher nach Kategorien einzuteilen. Diese wurden dann im Programm ergänzt und anschließend kam es zur Sortierung der Bücher nach den festgelegten Themenbereichen. Momentan sind wir damit beschäftigt die einzelnen Kategorisierungen aufgrund von neuen Informationen weiter zu verfeinern.
4. Forschungsarbeit, sowie Reproduktion von Originaldokumenten:
Ein weiterer wichtiger Teil meiner Arbeit als Gedenkdiener ist die Forschung über exilierte Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler, die in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes nach Brasilien flüchteten. Diese führe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Mag. Trettler und dem Historiker und Experten auf dem Gebiet der Exilforschung, Prof. Dr. Fábio Koifman, durch.
Nationalarchiv:
Meine Arbeit führt mich hierbei hauptsächlich in das Nationalarchiv, wo ich bei der Reproduktion und Digitalisierung von Originaldokumenten mithelfe. Prof. Koifman lässt mir und Mag. Trettler in regelmäßigen Abständen Referenznummern, von den über die Exilanten in den Archiven vorhandenen Akten, zukommen. Meine Arbeit besteht dann darin, mit diesen Referenznummern die Dokumente im Nationalarchiv zur Begutachtung zu bestellen und sie anschließend mit Hilfe von Digitalkamera und Stativ für das Archiv der CASA STEFAN ZWEIG zu reproduzieren. Auf eigene Initiative konnten Mag. Trettler und ich mit Hilfe der frei zugänglichen Onlinedatenbank auch bereits zahlreiche von Prof. Koifman zuvor noch nicht entdeckte Akten auffinden. Diese Forschungstätigkeit werden wir in den kommenden Monaten auch auf weitere Archive ausweiten, um somit zusätzliches Material für das Archiv der CASA STEFAN ZWEIG zu reproduzieren.
Nationalbibliothek:
Neben dem Nationalarchiv hatte ich auch regelmäßig in der Nationalbibliothek zu tun, wo ich ebenfalls bei der Digitalisierung von Dokumenten behilflich war. Hierbei handelte es sich aber ausschließlich um die Reproduktion des in der Nationalbibliothek aufbewahrten Bestandes des Schriftstellers Stefan Zweig. Zusätzlich begab ich mich für eine geplante neue Publikation des Zweig-Experten und Präsidenten der CASA STEFAN ZWEIG Alberto Dines in das Zeitungsarchiv der Nationalbibliothek, um hierfür benötigte Informationen und Fotomaterial aus den auf Mikrofilmen aufgezeichneten Zeitungen auszuwerten.
Neben der Suche nach Material über die uns bereits bekannten Exilanten, bin ich auch mit der Recherche nach neuen, unseren Suchkriterien entsprechenden, Exilanten beschäftigt. Hierfür dient mir zu einem großem Teil das Internet, sowie die in der Bibliothek der CASA STEFAN ZWEIG vorhandene Fachliteratur.
5. Verwaltung der bestehenden Datenbank:
Ein weiterer wichtiger Tätigkeitsbereich neben der Forschungsarbeit ist die Verwaltung der bestehenden Datenbank.
Da die CASA STEFAN ZWEIG noch kein professionelles Datenverwaltungsprogramm besitzt, werden die Dokumente und Datensätze momentan noch mit Hilfe von Microsoft Office und dem Windows Betriebssystem verwaltet. Die Liste mit den Namen der für uns aufgrund unserer Anforderungskriterien in Frage kommenden Exilanten und die Vermerke der dazu bereits reproduzierten Dokumente wurden bis vor kurzem noch über Microsoft Word verwaltet. Auf meinen Vorschlag hin begann ich in den vergangenen Wochen mit der Aufgabe eine Excel Liste zu erstellen, in welche ich alle Informationen, die mir zur Verfügung standen, vermerkte. Diese Liste bietet erhebliche Vorteile. Nun kann wie in einer professionellen Datenbank über Filter nach einzelnen Datensätzen gesucht werden und diese nach dem gewünschten Kriterium gruppiert bzw. sortiert werden. Die spätere Integration der Datensätze jener Excel Liste in ein professionelles Datenverwaltungsprogramm wird mit Sicherheit weitaus rascher und unkomplizierter von statten gehen können, als dies mit der Word-Liste der Fall gewesen wäre.
Zunächst vermerkte ich in dieser Liste nur den Namen und Beruf des Exilanten. Im Laufe der Arbeit ergänzte ich stetig neue Kategorien, sodass die Liste heute mit Informationen wie Herkunftsland, Geburtsstadt, Geburtsjahr, Todesjahr, Jahr der Ankunft in Brasilien, Dauer des Aufenthaltes in Brasilien, sowie Künstlername bereits ein recht stattliches Ausmaß angenommen hat. Die dazu benötigten Informationen, musste ich aus den in unserem Archiv bereits vorhandenen Dokumenten auswerten und oftmals durch Internetrecherche ergänzen. Die Liste ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unvollständig und es wird eine meiner Aufgaben in den kommenden Monaten sein, diese durch weitere Recherche zu ergänzen.
6. Interviews mit Zeitzeugen:
Ein weiteres großes Ziel für meinen restlichen Gedenkdienst ist das Interviewen von noch lebenden Zeitzeugen bzw. deren Familienangehörigen. Hierzu habe ich in den vergangenen Wochen begonnen, mit dem mir zur Verfügung stehenden Material sowie zusätzlicher Internetrecherche festzustellen, welche Exilanten noch am Leben sind und wie der Kontakt mit ihnen hergestellt werden kann. Das Kontaktieren der in Frage kommenden Personen, sowie genauere Recherche und Vorbereitung auf die Interviews und das tatsächliche Durchführen dieser wird ausreichende Arbeit für die restliche Dauer meines Gedenkdienstes darstellen.
7. Gemeinsamer Besuch der CASA STEFAN ZWEIG mit Frau Dr. Helga Rabl- Stadler:
Als eines der Highlights meiner 3-monatigen Tätigkeit an der CASA STEFAN ZWEIG kann das Zusammentreffen mit der Präsidentin und dem Konzertchef der Salzburger Festspiele, Frau Dr. Helga Rabl-Stadler und Markus Hinterhäuser gesehen werden. Es kam zu einem gemeinsamen Besuch des Wohnhauses von Stefan Zweig in Petrópolis, sowie einer Führung im weltbekannten „Museu Imperial“ und einem anschließenden Mittagessen.
Ausblick:
- Fortführung und Beendigung der Transkription von Zeitzeugeninterviews
- Fortführung und Ausweitung der Forschung im Nationalarchiv und weiteren Archiven
- Durchführung von Interviews mit Zeitzeugen bzw. Familienangehörigen
- Organisation und Durchführung eines Stefan Zweig Seminares
- Vernetzung mit nationalen und internationalen Experten auf dem Gebiet der Exilforschung
- Weitere Verwaltung und Ausweitung der Datenbank der CASA STEFAN ZWEIG
- Anschaffung benötigter Arbeitsutensilien und einschlägiger Fachliteratur
Positive Entwicklungen an der CASA STEFAN ZWEIG:
Als Schlusspunkt meines ersten Tätigkeitsberichtes möchte ich noch gerne ein paar aktuelle und sehr positive Ereignisse im Hinblick auf die CASA STEFAN ZWEIG erwähnen.
Genehmigung des Projektes zur Instandsetzung des Hauses Stefan Zweigs:
Zu großen Freude aller Beteiligten wurde das Projekt zur Renovierung und Instandsetzung des letzten Wohnhauses Stefan Zweigs, nach den Plänen des Architekten Miguel Pinto Guimarães vom brasilianischen Amt für Denkmalschutz genehmigt. Hiermit steht dem Umbau des Hauses und der baldigen Eröffnung des Museums nichts mehr im Wege.
Förderung des Forschungsprojektes durch den Zukunftsfonds der Republik Österreich:
Eine weitere äußerst erfreuliche Nachricht ist die Genehmigung einer Förderung durch den Zukunftsfonds der Republik Österreich, für ein von meinem Mitarbeiter Mag. Trettler eingereichtes Forschungsprojekt. Somit ist die Fortführung der Forschungstätigkeit von Mag. Trettler an der CASA STEFAN ZWEIG für ein weiteres Jahr finanziell gesichert.
Förderung für die Gestaltung einer ersten Stefan Zweig Ausstellung:
Vor kurzem wurde uns von Seiten der österreichischen Botschaft durch den Botschaftssekretär Dr. Alexander Springer mitgeteilt, dass die CASA STEFAN ZWEIG eine finanzielle Förderung vom Außenministerium für die Gestaltung einer ersten kleinen Ausstellung über Stefan Zweig in Petrópolis erhalten werde.